Am 27.10.2024 war es endlich soweit – der schon vor Corona geplante Vortrag von Dr. Dr. Mark Scheibe und Dr. Christian Pohl fand in der evangelischen Gemeinde St. Johannes in Fischbach statt.
Die erste Erkenntnis des Abends: Geschichte muss nicht trocken und abstrakt sein – ganz im Gegenteil. Wenn jemand wie Mark Scheibe über ein Thema spricht, das ihn schon seit seiner Jugend begleitet, er eigene Erfahrungen mit der Geschichte gemacht und es im wahrsten Sinne erfahren hat, was die Geschichte des Schinderhannes bis heute bedeutet – dann ist Spannung im Raum. Es ist eine Strahlkraft aus Mythen, Halbwahrheiten und Verwirrungen die die Spannung erzeugt. Dies führt dann zu einem Vortrag, der wie im Fluge vergeht und Jung und Alt von 7 bis weit in die 80er Lebensjahre fesseln kann. Es hilft dabei auch durchaus, wenn man schon selber einen Film über das Thema gedreht hat, der doch sehr von der Version mit Kurt Jürgens abweicht, und sich sehr an den damaligen Realitäten orientiert.
Was lernte der Zuhörer an diesem Abend? Grenzen waren damals grandios, besonders für Räuber, die darüber von den Polizisten der einzelnen Kleinstaaten nicht verfolgt werden durften. Wer hätte auch gedacht, dass es zu Schinderhannes Zeiten eigentlich nach Eppstein gar keine rechte Straße gab und im anderen Dorf eine andere Konfession ansässig war, was damals noch echt ein Problem war. Heute haben wir weder Kleinstaaterei noch Konfessionsgrenzen im Taunus – Zum Glück.
Eisen war früher von so weicher Legierung, dass man mit einer Feile oder Scherbe binnen einer Nacht ein Gefängnisschloss öffnen konnte. Auch wurde die Frage geklärt, wie manch eines dieser Werkzeuge zum Insassen kam, oder auch auf welchem Wege die Inhaftierten diese mitbrachten.
Schinderhannes wird wohl auch deutlich mehr Schurkerei zugeschrieben, als er eigentlich bis zu seinem Ende mit 24 Jahren überhaupt hätte tun können.
Die Geschichten um den Kirchturm mit Pfarrer Backhaus und seinem Kaplan muten auf den ersten Blick witzig an. Wenn man aber bedenkt, dass kirchenintern gestritten wurde, ob ein Mädchen, das den Franzosen nach Mainz folgte und dann nach einer Woche bei der Truppe noch auf der Jungfrauenbank sitzen durfte, würde man dies heute doch als eine echte Verletzung der Privatsphäre ansehen.
Aber die Zeiten früher waren deutlich anders als heute und man begibt sich bei Mark Scheibe und seinem Co-Referenten auf eine Reise, die man am Ende des Abends eigentlich nur ungern verlässt. Das Zusammenspiel von freiem Vortrag mit Verlesung von Primärquellen im passenden Akzent nimmt den Zuhörer mit in eine Epoche, in der Armut, Gewalt und Leid die Leute stark zeichnete.
Und wie war das dann mit dem Orinoko? Hier geht es um handfeste Erfahrungen, die man heute in Gebieten machen kann, in die Schurken auswanderten oder deportiert wurden. Die Nachfahren wurden dann an das erinnert, was die Vorfahren der sog. Schinderhannesbande so trieben. Aber für die Details solltet Ihr einfach Mark Scheibe fragen – Ist ja seine Erfahrung 🙂 So viel sei verraten: Offenherzig lief es nicht ab.
Wir empfehlen sehr, die bis Ende Dezember 2024 stattfindende Ausstellung zu Johannes Bückler, alias Schinderhannes, im Fliegenden Jakobiner in Hochheim zu besuchen. Hier wird Geschichte erfahrbar.
Die Spenden des Abends gingen an die Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789-1815 und werden dem Stipendatenprogramm zur Verfügung stehen.