Häufig finde ich Bäume mit verschiedenen Verletzungen vor. Deshalb möchte ich diesen
Beitrag mit euch teilen, um ein Verständnis für den Umgang einerseits mit Bäumen
allgemein aufzubauen, aber auch ganz konkrete Handlungsmaßnahmen aufzuzeigen,
die jeder anwenden kann, wenn ein Baum verletzt worden sein sollte, aus welchen
Gründen auch immer.
Nun ist es ähnlich wie bei anderen Lebewesen, – bspw. Menschen – wenn sich ein
Individuum eine Verletzung zuzieht, muss diese je nach Größe verarztet werden, damit
sie sauber abheilen kann. Ist die Verletzung zu groß, wird die Sache kritisch: Viren,
Bakterien, Pilze und andere Schädlinge können sich in der Wunde festsetzen und diese
infizieren. Manchmal wird der ganze Organismus krank. Wir Menschen helfen uns mit
Antibiotika und steriler Behandlung von Wunden.
Auf den Baum bezogen, kann folgendes passieren:
Die entstandene Wunde wird von Pilzen und Bakterien besiedelt. Der Baum hat je nach
Baumart verschieden gute Abwehrmöglichkeiten. Bezogen auf die wohl bekannteste
Obstart “Apfel” wird die Abwehr auf mittelmäßig eingestuft, bei Steinobst sieht es noch
schlechter aus. Jetzt kommt das Problem: je größer die Wunde ist, desto leichter dringen
holzzersetzende Pilze ein, denn der Baum schafft es nicht so schnell, ein Narbengewebe
über der Wunde zu bilden und von innen bestimmte Abwehrstoffe zu bilden. Also liegt
das Kernholz (= innerster Holzkörper, je dicker der Ast, desto mehr davon ist vorhanden),
dessen Anteil je Größe der Wunde steigt, länger frei. Holzzersetzende Pilze wandern
ungehindert durch den gesamten Baumkörper, wenn sie erst einmal ins Kernholz
eingedrungen sind. Die großen Wunden, die an über 90% alter Streuobstbäume sichtbar
sind, sind häufig schon über 10 Jahre alt – trotz all der Zeit hat der Baum sie nicht
schließen können und viele Schaderreger sind eingedrungen.

Kallusbildung an Oberseitenwunde und am unteren Rand ein sog. Versorgungsschatten
erkennbar.

Kernholz ist bereits geschädigt, sodass Spechte beginnen, Löcher zu hacken.

Schaut einmal einen alten Baum an, dem man aus Gründen der leichteren
Bewirtschaftung einer Fläche (Traktor – meist recht hohes Vehikel, passt nicht unter den
Ästen durch, Fazit: Ast wird abgesägt, um schnelle Bearbeitung zu ermöglichen) große
Äste im Bereich des Kronenansatzes entnommen hat.
Meistens sehen diese Wunden
a) schwarz,
b) löchrig, faserig,
c) offen
aus.
Schwarz, weil unter anderen aggressiven Pilzen meistens sogenannte Schwärzepilze
(diese selbst sind harmlos) die Fläche besiedeln.
Löchrig, faserig, weil die Holzzersetzung schon im Gange ist und auch Tiere die Stelle
nutzen (Insekten, Vögel). Man kann mit dem Fingernagel ausprobieren, wie weich das
Kernholz bereits durch den Pilz ist.
Offen, weil der Baum nicht in der Lage ist, eine Wunde dieser Größe, meist größer 6
10cm (bei Steinobst kleiner), mit Wundgewebe in einer angemessenen Zeit oder
überhaupt zu überwallen.
Nun zu den (vorbeugenden) Handlungsempfehlungen:
- Schneidet keine großen Wunden an euren Bäumen. Erzieht besser eure
Obstbäume von Anfang an konsequent mit Fachwissen (macht Schnittkurse!) und investiert lieber
etwas mehr für gute, gesunde Pflanzware und robuste Sorten, so besteht später
gar nicht erst die Notwendigkeit größerer Schnitte oder das Risiko von
Astbrüchen im Vollertrag. - Vermeidet Mähschäden am Stamm und an Starkästen. Die Baumscheibe wird
am besten mit der Sense gemäht, sodass der Traktor gar nicht erst an den Stamm
heranfahren muss. - Schützt Bäume, die auf Flächen stehen, welche durch Tiere beweidet werden,
unbedingt. Unterschätzt nicht, dass Tiere sich gerne an Bäumen reiben, Rinde
knabbern, schubbern und drücken. Und dass sie den ganzen, langen Tag auf der
Weide genügend Zeit (und Ideen!) dafür haben, einen mäßigen Verbissschutz
außer Gefecht zu setzen.
Und wenn doch mal was passiert ist; ein Stammschaden, ein großer Ast gebrochen,
Verbiss von Tieren?
Dann gilt es, schnell zu handeln!
Was macht man in welchem Fall?
Astbruch:
Einen Astausbruch möglichst sauber absägen. Am besten hat man Lehm vorrätig, den
man zügig auf die Schnittfläche streicht. Dann packt man ein Stück Jute drauf, tackert
dieses über die Wundränder hinaus fest und packt danach noch eine Schicht Lehm auf
die Wunde.
Der Vollständigkeit halber muss gesagt sein: Astbrüche mit Längsfaserrissen, die nicht direkt an den Hauptästen und Stamm sind, kann man auch belassen. Das ist je nach Gesamtsituation des Baums zu beurteilen.
Mähschaden/Verbiss am Stamm:
Meistens ist noch Rinde vorhanden, diese ist häufig abgelöst.
Auf die glitschige Kambiumschicht wird eine dicke Lehmpackung gelegt. Die eventuell
noch vorhandene Rinde wird wieder fest angedrückt und das Ganze mit Jutestreifen
fixiert. Bei jüngeren Bäumen wird ein sauberer Verband angelegt. Ist keine Rinde mehr
vorhanden, ist der Verband umso wichtiger.
Hintergrund, warum man so schnell sein sollte: Die Baumsäfte fließen in dieser glitschigen Schicht unter der Rinde und der Bastschicht. Wenn diese Schicht freiliegt, trocknet sie aus und der Baum kann den darüberliegenden Teil nicht mehr versorgen.

abgerissen.

fixiert, Rissstelle verschlossen mit Lehm.
Merke: Alles, was festgezurrt und eng verbunden wird, muss nach ca. einem Jahr wieder
losgeschnitten und gegebenenfalls erneuert werden, um ein Einwachsen zu verhindern.
Hoffentlich konnte ich euch hiermit einen kurzen Einblick in den Alltag vieler Bäume und auch für deren Fürsorge geben. Wer Fragen zur richtigen Behandlung von Verletzungen, Problemstellen und auch dem Obstbaumschnitt hat, kann sich jederzeit gerne melden.
Catharina Wenzel
Obstbaumwartin
